Wer uns menschlich fehlt im
EboardMuseum
ERINNERUNGEN AN HEINZ KÖCHL †
25.02.1957 - 7.12.2021
8. Dezember 1980, 7 Uhr, Morgenjournal - John Lennon ist tot! Ungläubige Fassungslosigkeit. Ein wesentlicher Teil des Soundtracks meiner wilden, und oft auch nicht so wilden juvenilen Partys ist gestorben. Schmerzhaft - bis heute - aber doch irgendwie weit weg...
8. Dezember 2021, 12:33, mein Rückruf von zwei kurz zuvor versäumten Anrufen. Heinz ist tot! Welcher Heinz? HEINZ KÖCHL!!!
In Sekundenbruchteilen sehe ich einen Film mit Bildern aus beinahe 50 gemeinsamen Jahren, unterbrochen nur von wenigen ungläubigen Rückfragen: wie? wann? warum? Und das alles ist so was von nicht irgendwie weit weg...
Am 10. Feber 1973 hatten wir unsere erste gemeinsame Bandprobe. Das Datum ist mittlerweile recherchiert und verifiziert! Unser gemeinsamer Schulfreund Walter Mölzer hat uns damals verkuppelt.
Aber das war nicht meine erste Begegnung mit Heinz. Bereits einige Jahre zuvor sangen wir gemeinsam im Kinderchor des Österreichischen Rundfunks, der dann irgendwann genauso wie eine ORF Big Band dem Gott des kulturellen Geizes geopfert wurde. Der hübsche charismatische Heinz fiel mir damals auf, aber im Alter von etwa 12 Jahren spricht man dann doch lieber Mädels an, sodass unsere damaligen Begegnungen mehr visuell blieben!
Die Erstprobe mit Köchl-Pianino und Davoli-Verstärker fand in seiner elterlichen Wohnung mit Blick auf das Volkskino - nur wenige hundert Meter vom EBOARDMUSEUM entfernt - statt. Und diese Wohnung war in etwa die Antithese einer jugendlichen Gefahrenzone: beschaulich - warm - gemütlich. Selbst heute gelingt es mir nur selten, wenn ich dort beim Platzl 6 vorbeifahre, nicht sofort in nostalgisches Wohlbefinden zu verfallen :- )
Der erste Song, den die Noch-Zweimann-Band Köchl-Prix probte? Es könnte Wig Wam Bam von Sweet gewesen sein. Aber mangels historischen Weitblicks leider nicht beweisbar oder gar verifiziert.
Der erste Song, den die aber dann bald darauf mit dem künftigen Oberarzt Dr. Andreas Wagner zum Trio expandierte Band der Umwelt zumutete, wurde gemeinschaftlich mit Ein kleines Lied vom Frieden bestätigt und ist somit wikipedisch einzementiert!
Damals war es auch absolut üblich, die familiären Bande der Bandmitglieder als Teil der eigenen Existenz zu sehen. Immerhin mussten diverse Geschwister abwechselnd die führerscheinlosen Jungstars zu ihren triumphalen Auftritten chauffieren. Und so hat man damals durchaus auch den Bandmüttern und Bandvätern zum Namenstag gratuliert! Band war Familie, Familie war Band!
Nachdem einer unserer einstigen unmittelbaren Rivalen - Herwig Rüdisser der späteren Austro Pop Giganten Opus - in seiner damaligen Formation GFS zwei Bassisten [ das ist bis heute weltweit vermutlich einzigartig , und musikalisch auch höchst bedenklich :- ) ] vorweisen konnte, musste zu unserer Band Sir Donald zumindest ein Bassist stoßen. Unseren lieben Peter Karpf ereilte dieses Schicksal. Gemeinsam schrieben wir fast ein Jahr lang Musikgeschichte! Welch andere Band kann in ihrer Biografie schon vorweisen, mit Born To Be Wild in einem Bandwettbewerb vor tausenden euphorisierten Fans [es waren leider nicht unsere] zu brillieren, um dann in der Zeitung zu lesen, eine Eigenkomposition vorgetragen zu haben! Man hatte unser Born To Be Wild einfach nicht als solches erkannt...
Herwig Rüdisser hat damals übrigens verdienterweise gewonnen. Naja, that's life. Oder live. Vielleicht sogar Live is life... Und war jedenfalls zugleich die Geburtsstunde einer Band namens Three Tight!
Denn nach dieser Born To Be Wild- Niederlage konnten wir eine Zeit lang nur mit über den Kopf gestülptem Plastiksack durch unsere Heimatstadt spazieren. Diese Blamage schrie förmlich nach Veränderung.
Niederlagen wie diese können aber offenbar Nachhaltiges bewirken: Und 26 gemeinsame Jahre von Rolf Holub, Heinz Köchl und mir, vulgo Three Tight, verdienen zumindest dieses Attribut. In diesen 26 Jahren holten wir gemeinsam ziemlich alles heraus, was als semiprofessionelle Band so möglich war. Und es waren gigantische, aber auch gigantomanische Jahre. Der riesige Aufwand machte sich jedenfalls bezahlt. Diesbezügliche gemeinsame Höhenflüge auch jenseits österreichischer Staatsgrenzen bleiben unvergessen.
Dass sich Menschen innerhalb von fast drei Jahrzehnten weiterentwickeln, und dies eventuell auch in unterschiedliche Richtungen, ist weder ungewöhnlich noch verwerflich. So war das Aus für Three Tight im Jahr 2000 eine absolut schlüssige Entscheidung, die auch gemeinsam getragen wurde. Und somit keine Bitterkeit hinterließ!
Im Jahr 2008 entstand schließlich die Idee eines punktuellen Three Tight-Revivals. Kam die Idee von mir? Oder von Heinz? Vielleicht von Rolf? Wir wissen es nicht mehr. Würde es für so etwas überhaupt ein latentes Publikum geben?
Das erste gemeinsame Anspielen ehemaliger Songs offenbarte seltsames: Albert Einstein hat offenbar recht! Zeit lässt sich verbiegen, acht Jahre Pause waren einfach vergessen! Drei Langzeitgedächtnisse und eine magische vokale Harmonie konnten dort fortsetzen, wo sie einst beendet hatten. Wir waren selbst erstaunt...
Exakt 30 weitere Auftritte sollten folgen, ehe am 10. September 2021 das - unvorhersehbar - letzte gemeinsame Revival einen wahrscheinlich nicht nur für mich nachhaltig persönlichen Lebensabschnitt beendete.
8. Dezember 2021 12:33, die Nachricht, Heinz Köchl ist vor wenigen Stunden völlig unerwartet und ziemlich sicher schmerzfrei verstorben...
Was bleibt?
Tiefe Trauer, mit Heinz einen Menschen verloren zu haben, der in gewisser und wesentlicher Weise Lebensabschnittspartner meiner mehr als 60-jährigen Vita bleibt.
Die Gewissheit, mit Heinz einen Freund zu verlieren, ohne jegliches - das hätten wir noch klären müssen!!! Unsere Treffen, unsere Zusammenarbeit, unsere Umarmungen waren geprägt von gegenseitigem Respekt und aufrichtiger Herzlichkeit! Einfach schön!!!
Die Freude! Über Millionen gemeinsame tolle Momente und gemeinsame Erinnerungen in gefühlt tausend Jahren!
Danke, lieber Heinz!
Gert Prix, 2021 12 18
KEN HENSLEY (URIAH HEEP) †
24.08.1945 - 4.11.2020
Die zentrale Aufgabe eines Museums ist das Bewahren historisch relevanter Exponate. Und ebensolcher Erinnerungen!
Wenig überraschend ist man als Museumsbetreiber auch häufig mit dem Abschiednehmen von lieb gewonnenen Persönlichkeiten konfrontiert. Man akzeptiert es zwar als unausweichliches Faktum, gewöhnt sich aber nur äußerst ungerne daran!
Übrig bleibt dann jedenfalls eine große Dankbarkeit, gewissen Menschen im Laufe des Leben über den Weg gelaufen zu sein. Sei es nur eine kurze berufliche Begegnung oder eine langjährige Freundschaft...
Ken Hensley, ein Idol meiner immerwährenden Adoleszenz ist am 4.11.2020 ziemlich unerwartet verstorben. Unsere Begegnung war nur kurzfristig, aber immerhin hat dieses mein Idol seine Russland Tournee extra verschoben, um hier in unserem verlängerten Wohnzimmer auf den Tag genau beim zehnjährigen Jubiläum des EBOARDMUSEUMs dabei zu sein. Und diese Erinnerung an diesen sympathischen, unpretentiösen und so herzlichen Star gehört nicht nur mir, sondern allen, die an diesem denkwürdigen Abend dabei waren.
Und ja, wir hatten sehr viel Spaß :- )
Irritiert hat mich damals nur die Rechnung vom Zimmerservice des Hotels, die mich erst nach Abreise von Ken erreichte. Bei einem Weltstar dieser Klasse und mit dieser Vorgeschichte war ich ja auf einiges vorbereitet und hatte bereits den Bausparvertrag aufgelöst! Und dann das:
1 Mineralwasser : EUR 2,60
Ken Hensley hat hier bei uns nicht nur grandiose Erinnerungen hinterlassen, sondern auch eine Eboard-Rarität aus seiner jahrzehntelangen Weltkarriere!
Auch dafür ein aufrichtiges DANKE, dear Ken, und wir sind uns ganz sicher, dass Du nun auch in anderen Sphären Dein wohlverdientes Easy livin' genießt!
Gert Prix
ERNST ZACHARIAS †
21.06.1924 - 6.07.2020
Sein Lebenswerk, darunter Welterfolge wie Hohner Cembalet, Hohner Pianet und schließlich Hohner Clavinet wird hier im EBOARDMUSEUM einschließlich vieler Prototypen und schriftlicher Aufzeichnungen in Ehren gehalten.
Ernst Zacharias war bis zuletzt mit weiteren teils revolutionären Entwicklungen befasst.
Für die jahrzehntelange Freundschaft und unsere vielen Begegnungen sind wir unendlich dankbar!
ERNST ZACHARIAS
1924 06 21 - 2020 07 06
Meine erste persönliche Begegnung mit Ernst Zacharias erfolgte im Jahr 1990, durch meinen angekündigten Besuch in seinem Haus in Trossingen, verbunden mit der Bitte um ein Interview, um möglichst viel Information zu jenen grandiosen Instrumenten zu erhalten, mit denen ich schon Jahre zuvor meine ersten persönlichen Begegnungen hatte!
Es war der erste von noch vielen weiteren Besuchen, bei denen ich stets freundlichst von einem echten Sir der alten Schule empfangen wurde. Immer verbunden mit einem Quäntchen Ungläubigkeit, dass sich da jemand für einen Herrn im fortgeschrittenen Alter interessiert, der seine wahre und längerfristige Bedeutung für das Musikbusiness selbst offenbar so noch nicht wahrgenommen hatte.
Meine Bitte , unser Gespräch mitschneiden zu dürfen , wurde nach kurzem Überlegen höflich zurückgewiesen. Zu gross waren seine Bedenken, dass vielleicht auch kritische Äusserungen über seinen ehemaligen Dienstgeber Hohner akustisch irgendwo dokumentiert sein könnten. Immerhin lebte Ernst Zacharias nach wie vor in der Hohner-Homebase Trossingen, einer Kleinstadt mit nur etwa 17.000 Einwohnern.
Viele meiner Detailfragen zur Entwicklung von Cembalet, Pianet, Clavinet und weiteren Zacharias - Entwicklungen konnte er beantworten. Einiges auch nicht, was einerseits meiner detailverliebten Recherche zu verdanken war, aber auch der Tatsache, dass der Ingenieur Zacharias nicht in alle Entscheidungsprozesse um das Marketing seiner Entwicklungen eingebunden war, und es wohl auch gar nicht wollte!
Aber das zunehmende Leuchten in seinen Augen im Verlauf unseres langen Gesprächs ließ erahnen, dass der Welterfolg seiner Erfindungen ihm nicht nur unvergessliche Erinnerungen und persönliche Begegnungen mit Weltstars bescherte, sondern auch jene Wertschätzung, die das aktuelle Hohner Management vielleicht vermissen ließ. Eine neue Generation hatte das Ruder übernommen...
Schnell aber lenkte Ernst Zacharias unser Gespräch auf seine aktuellen Neuentwicklungen, allen voran eine Pfeifenorgel mit dynamisch spielbarer Tastatur. Was in analogen und digitalen Schaltkreisen absolut keine Challenge darstellt, bedarf bei Blasinstrumenten - und nichts anderes sind die Pfeifen einer Orgel - eines kompletten Überdenkens traditioneller Strukturen. Mit der von ihm entwickelten Gewendeten Zunge demonstrierte er mir Ungläubigem, dass es sehr wohl möglich sei, bei Orgelpfeifen eine stabile Frequenz auch bei unterschiedlichen "Windstärken" zu erreichen.
Die kommerzielle Verwertung dieser revolutionären Idee verfolgte Ernst Zacharias bis zu seinem nunmehrigen Ableben. Immer wieder wurden unsere Gespräche von ihm behutsam von seinen grossen Welterfolgen in diese Richtung gedrängt, vielleicht auch hoffend, dass ich mit der Institution EBOARDMUSEUM im Hintergrund ihm noch zu diesem weiteren Durchbruch behilflich sein könnte.
Ich konnte es nicht... Leider! Zu groß scheinen die Vorbehalte jahrzehntelanger Organisten, die eben seit Jahrzehnten auch ohne diese dynamische Steuerung leben konnten...
In ziemlich regelmäßigen Abständen hatte ich die Ehre, zu weiteren Besuchen und Gesprächen eingeladen zu werden. Und bereits unser zweites Interview durfte schließlich mitgeschnitten werden. Auf MC und in typisch schwäbischem Kolorit. Nicht nur erst seit dem 6. Juli 2020 ein absolut wertvolles Zeitdokument!
Bei diesen Meetings vertraute er mir schließlich bedenkenlos die Originaldokumente und Aufzeichnungen seiner Erfinder-Karriere an. Diese Pretiosen sind heute, wie auch fast alle Prototypen seiner Entwicklungen, im EBOARDMUSEUM ausgestellt . Eine historische Aufarbeitung vieler Details und Insiderinformationen wurde von mir bereits vor Jahren begonnen, ist aber noch nicht abgeschlossen.
Im Sommer 2011, da war Ernst Zacharias bereits im 88. Lebensjahr, erfolgte schließlich, begleitet von seiner Familie , sein Gegenbesuch hier am Wörthersee, und natürlich im EBOARDMUSEUM. Dieses Eintauchen eines Erfinders in sein Lebenswerk wurde medial entsprechend würdig begleitet und dokumentiert. Und doch, auch an diesem 5. August 2011 konzentrierte sich Ernst Zacharias mehr auf seine aktuellen Weiterentwicklungen, als in Ruhm und Ehre vergangener Zeiten zu verharren!
Im Laufe unsere vielen Gespräche wurde mir bewusst, dass geniale Ideen und Erfindungen nicht immer finanzielle Sorglosigkeit und Wohlstand bedeuten. Schon gar nicht, wenn man als Angestellter eines weltweit agierenden Konzerns seiner Kreativität nur den ihr zugestandenen Freiraum widmen darf. So besaß Ernst Zacharias von seinem Welterfolg Clavinet gerade mal ein Modell L, das mit seinem barocken Design auch die Lieblingsepoche des Erfinders widerspiegelte. Die etwas naive Annahme, dass zumindest je ein Exemplar der Evolutionsgeschichte von Clavinet 1 bis zum Clavinet Pianet Duo im Haushalt Zacharias zu finden sei, hat sich nicht annähernd bestätigt.
Ganz im Gegenteil: Um Geld zu sparen, bastelte sich der Erfinder sein "Reiseclavinet" aus Teilen zusammen, die in der Fabrik mehr oder weniger als Abfall herumlagen. Auch dieses Unikat mit seiner tragikomischen Vorgeschichte wird hier im EBOARDMUSEUM in Ehren gehalten.
Ernst Zacharias' Abgang aus dem Hohner Konzern in die Pension, inclusive anschließender Rückkehr auf Honorarbasis für mehrere Jahre, fiel mit der Entscheidung der Hohner Führungsebene zusammen, die Zukunft des Traditionsunternehmens nicht mehr so sehr in der Weiterentwicklung von Musikelektronik zu sehen, sondern in dieser Sparte lieber fertige Produkte zuzukaufen und einfach mit dem Hohner-Logo zu versehen. Wertschätzung vergangener Höhenflüge sieht wohl anders aus...
Was mich dann aber doch überraschte: Der Welterfolg Clavinet wurde also nun von Hohner in rein digitaler Form als Clavinet DP 1 angeboten. Ein für damalige Verhältnisse mediocres Elaborat, das Einiges, aber vor allem Charisma vermissen ließ. Jeder durchschnittliche Mensch, und ganz besonders dann, wenn man sich von seinem ehemaligen Dienstgeber vielleicht nicht ganz standesgemäß behandelt fühlen musste, hätte die Unzulänglichkeiten dieses Clavinet-Epigonen zur Aufrechterhaltung seiner eigenen Reputation benützt. Nicht so Ernst Zacharias! Mich ließ er wissen: "Ist doch janz jut gelungen, dieses DP 1".
Da habe ich beispielsweise Bob Moog ganz anders in Erinnerung, als er sich mir gegenüber auf den Moog Source als offiziellen Nachfolger seines Minimoog angesprochen ziemlich abfällig äußerte. Menschlich absolut verständlich, und technisch zumindest teilweise.
Die Hammond-Orgel trägt den Namen ihres Erfinders. Ebenso die Fender Telecaster, das Rhodes Piano, das Leslie, der Moog-Synthesizer oder der Oberheim OB XA. Genauso der Kurzweil 250, die Linn Drummachine oder rudimentär auch der ARP Odyssey.
Die Erfindungen des Ernst Zacharias, speziell Pianet und Clavinet, haben für Musiker neue Welten eröffnet, und hunderten Hits einen unverwechselbaren Sound verpasst. Kein ernst zu nehmendes Keyboard der letzten Jahrzehnte kommt ohne Imitat dieser Sounds aus. Der Name Zacharias hingegen blieb dabei stets im Hintergrund.
Bescheidenheit und Größe sind kein Widerspruch! Ernst Zacharias besaß Beides.
Ich hatte die Ehre und das Glück, noch viele der Pioniere der Musikelektronik persönlich kennen zu lernen. Ernst Zacharias war da für mich nicht Einer von Vielen, sondern eine wertvolle, intensive und bilateral respektvolle Beziehung über fast 30 Jahre.
Danke dafür!
Gert Prix